Es ist still bei den Garagen in der Neustadt, viel zu still für ein anberaumtes Treffen mit einem Mofa-Klub. Doch plötzlich durchbricht am vereinbarten Treffpunkt in der Straße Rosenpfad Zweitaktknattern die Ruhe. Durch ein verwittertes Holztor braust ein orangefarbenes Mofa heran. Darauf sitzt ein Mann mit Kunststoffhelm im Playmobil-Design der 1970er-Jahre. "Bist du der Pressetyp?", will er wissen. "Dann komm mal mit." Und da sitzen sie dann alle, in einem zugewucherten kleinen Garten hinter der Werkstatt von Mofa-Klub-Member Markus. Thomas, den sie "Elch" nennen, Anne, die einzige Frau des Klubs, und weitere Mitglieder haben sich in einem Stuhlkreis versammelt.
Für ein Treffen mit der "Heißen Kette" könnte auch das Drehbuch eines "Werner"-Films als Vorlage herhalten. "Wurstblinker" gibt es keine, dafür Humor und noch mehr Selbstironie. "Du bist schnell, zahlst keine Steuern und es hat einen Kultfaktor", zählt Elch die Vorzüge von Mofas auf. Elch, 56 Jahre alt und von Beruf Schlosser, ist der Pesident. Schreibfehler auf dem Aufnäher seiner Kutte bescherten ihm diesen Titel. Daneben gibt es noch Kai, den Präsidenten, der 2011 den Klub gegründet hat. Kai ist heute nicht da, doch Elch, der Pesident, der sich ohnehin als ebenbürtig ansieht, weiß ihn würdig zu vertreten.
Er komme aus der Stadt und habe erst spät seine Begeisterung für Mofas entdeckt, sagt Felix, der von Beruf Fahrradmechaniker ist. "Doch auf dem Land ist das Mofa die einzige Freiheit, die du gewinnen kannst". Der 41-Jährige sagt auch: "Manche von uns holen hier ihre Pubertät nach." Bei der "Heißen Kette" hat fast jeder eine schräge Bezeichnung, die meisten sind an die Motorradklub-Szene angelehnt. Felix trägt den Titel "General Anal", Peter ist der Road Captain, "Rotkäppten" steht auf der Kutte des 39-Jährigen, der einen Magister in Architektur hat. Sie rufen ihn "Rotkäppchen". Sascha, 50, ist Maschinenbautechniker. In Anlehnung an die MC-Bezeichnung "Prospect" für jemanden, der seine Bewährungsphase vor der Aufnahme in einen Klub durchläuft, hat er seit Jahren den Begriff "Werbeprospekt" auf seiner Kutte.

Markus auf seiner Hercules, ”Präsidette” Anne (re.) ist die einzige Frau im Mofa-Klub.
Markus, der Besitzer der kleinen Werkstatt, ist ein 52-jähriger Sozialpädagoge mit grauem Rauschebart. Er fährt eine Hercules von 1960. "Sie hat noch den Originallack und die originale Sitzbank." Als einziger der Anwesenden trägt Markus die fast schon langweilige Bezeichnung für Vollmitglieder: "Member". Diplom-Politologin Anne, die inzwischen einzig verbliebene Frau im Klub, ist die "Präsidette". Beim Fototermin ist sie ohne Zweirad. "Ich habe Mopeds, die fahren nur gerade nicht." Zusammen mit Felix ist sie bei Motorradgespannrennen auf Rennstrecken wie dem Nürburgring, in Oschersleben oder in Hockenheim unterwegs.
Und warum heißt der Klub nun "Heiße Kette"? "Der dümmste Name hat gewonnen", erläutert Elch. "Mofafahren ist schon bescheuert, da brauchten wir einen noch bescheuerteren Namen." Schon seit Jahren ist der Klub, der auch Zweiräder bis 45 km/h Höchstgeschwindigkeit akzeptiert, auf der Bremen Classic Motorshow vertreten. "Die Messe ist eine Partyveranstaltung", sagt Elch. Reichlich Bierkonsum inklusive.
Mit dem Mofa zur Isle of Man
Ihre aufregendste Tour führte die Mofafahrer 2019 zur Isle of Man TT. Die Tourist Trophy, die jährlich auf der Insel in der Irischen See stattfindet, gilt als das gefährlichste Motorradrennen der Welt. Regelmäßig sterben dort Teilnehmer. Auch wenn die Bremer Mofafreunde die Reise dorthin körperlich unbeschadet überstanden haben, war der Trip ein Abenteuer. Auf der Hinfahrt hatten die Bremer bis nach Holland Dauerregen, was nicht ohne Folgen für Annes Mofa blieb. Der Motor soff buchstäblich ab, die Reparatur kostete Zeit. "Wir haben die Fähre noch abfahren sehen", sagt Elch. Nach einer ungeplanten Nacht in Rotterdam fuhr die Gruppe am nächsten Morgen mit dem Schiff in Richtung Vereinigtes Königreich.

Geschraubt wird selbst: Markus mit Felix in Markus' Werkstatt in der Neustadt.
Nach ihrer Ankunft fuhren die Bremer mit ihren Zweirädern 18 Stunden durch und erreichten am Abend planmäßig die Fähre in Liverpool. Weil es teilweise starke Steigungen gab, mussten manche neben ihren mit Reisegepäck beladenen Maschinen laufen, um sie nicht zu überfordern. Schließlich auf der Isle of Man angekommen, wartete eine Enttäuschung: Zu sehen gab es nur einen Lauf, das Event wurde wegen Regen abgebrochen. Immerhin: Auf der Rückreise der insgesamt zehn Tage währenden Reise schien die Sonne.
2022 wurde über den Klub die gut zwanzigminütige Mockumentary "Heiße Ketten und kalte Biere" gedreht. In dieser Parodie, die genretypisch den Anschein eines echten Dokumentarfilms erweckt, kommen die Mitglieder wie harte Kerle rüber, mit denen nicht zu spaßen ist. Der Film wurde professionell vom Bremer Filmemacher Florian Gerding produziert. "Es sind 20 Minuten echte Gefühle", wie Peter es ausdrückt.

Der Klub hat eine eigene Kutte.
Inzwischen gebe es in Bremen drei Mofa-Klubs, sagt der Pesident beim Treffen mit dem WESER-KURIER, darunter seien auch die "Moskitos", die sie abfällig nur "die Stechmücken" nennen. "Wir sind der älteste Klub", stellt Elch klar. Und einmal mehr gerät die Grenze zwischen Ernst und Spaß ins Schwimmen, wenn der Pesident ohne den Anflug eines Grinsens sagt, dass man sich die Konkurrenz nicht gefallen lassen werde. Wahrscheinlich werde man den anderen mal einen Besuch abstatten – mit durchgeladenen Erbsenpistolen.