Im kommenden Jahr würde die Holzkirche in Schönebeck 60 Jahre alt werden. Doch dieses Jubiläum wird die Gemeinde St. Magni, zu der sie gehört, nicht mehr feiern können. Die letzte noch bestehende Montage-Kirche in Bremen wird voraussichtlich noch in diesem Jahr abgerissen. Am kommenden Sonntag, 4. Juni, nimmt die Gemeinde in einem Entwidmungsgottesdienst Abschied von dem Kirchenhaus. Auf dem Grundstück, auf dem auch das Hospiz Lilge-Simon-Stift steht, planen die Johanniter den Bau eines Andachtsraumes.
Grund für den geplanten Abriss der hölzernen Zeltkirche, die ursprünglich nur für eine Nutzungsdauer von 40 Jahren ausgelegt war, ist die marode Bausubstanz. Das Gebäude ist nach Angaben von Sabine Hatscher, Sprecherin der Bremischen Evangelischen Kirche (BEK), derart sanierungsbedürftig, dass es nicht mehr erhalten werden kann. Hatscher schildert den Zustand der Holzkirche: "Ihr Fundament ist marode, sodass Statik und Sicherheit infrage gestellt werden müssen. Verrostete Leitungen, Rohrbrüche und die einfachen Fenster haben Feuchtigkeit in das Gebäude eindringen lassen. Die Heizungsanlage ist defekt." Auch um die Beschaffenheit des hölzernen Glockenturms, der neben der Kirche aufragt, ist es nicht besser bestellt. Schon seit Längerem kann die Glocke nicht mehr geläutet werden, weil die Statik des Turms ein Schwingen der Glocke nicht mehr trägt.
Eine Sanierung kommt für die BEK nicht infrage, betont Hatscher. "Die Bremische Evangelische Kirche kann es nicht weiter verantworten, Kirchensteuermittel in die Unterhaltung dieses Gebäudes zu investieren." Immerhin sei die Kirche St. Magni, die eigentliche Kirche der Gemeinde, nur eine Bushaltestelle von der Holzkirche in Schönebeck entfernt.
"Gerade in Zeiten rückläufiger Kirchensteuereinnahmen investiert die BEK ihre Mittel primär in die Arbeit mit Menschen und nicht in Steine. Natürlich ist auch der Denkmalschutz eine Aufgabe, die in der BEK sehr ernst genommen wird. Doch auch wenn den Menschen in Schönebeck die Holzkirche vielleicht aus historischen und architektonischen Gründen schützenswert erscheint, so war sie immer als Provisorium gedacht und steht nicht unter Denkmalschutz."
Tatsächlich sollte die kleine Notkirche ursprünglich bereits nach einem, allerhöchstens zwei Jahren wieder abgebaut werden. Errichtet wurde sie 1964, nachdem St. Magni als eigenständige Gemeinde von St. Martini in Lesum gelöst worden war. Die Planungen für eine neue Kirche an der Straße Unter den Linden waren zwar fertig, doch bis zu deren Einweihung im Jahr 1968 sollte es noch dauern. Also entschloss sich die Gemeinde zum Bau der Notkirche. Nach nur wenigen Wochen Bauzeit wurde die Nur-Dach-Konstruktion mit Altar am 1. Advent 1964 eingeweiht. 1965 wurde dann der hölzerne Glockenturm hinzugefügt.
Als wenige Jahre später der Abbau des Ensembles anstand, gab es Protest. Die Schönebecker wollten ihre Holzkirche behalten – und hatten mit ihrer Gegenwehr Erfolg. 1975 bekamen sie am Feldberg schließlich sogar noch ein Gemeindezentrum dazu, das allerdings bereits vor mehreren Jahren verkauft wurde. Über viele Jahre hinweg wurde die Holzkirche rege genutzt. Hochzeiten, Ehejubiläen, Trauerfeiern und Taufen wurden darin begangen; es gab Vorträge, Konzerte und einen Gesprächskreis. "Viele Schönebecker verbinden eine Geschichte mit der Kirche und sie gehört zum Ortsbild", sagt Pastorin Christiane Hoffmann.
Sie selbst hat ebenfalls viele Erinnerungen an Gottesdienste, Treffen und Veranstaltungen in der Holzkirche. 2014 war sie an der Gestaltung des Gottesdienstes zum 50-jährigen Bestehen beteiligt. "Durch die Corona-Pandemie fand in den vergangenen Jahren allerdings kaum noch etwas statt. Die Kirche ist zu klein, um darin Abstand halten zu können. Und dann ging auch noch die Heizung kaputt", erläutert die Pastorin den Grund.
Das Passionskreuz, das den Kirchenraum schmückt, soll künftig im Hospiz Lilge-Simon-Stift einen neuen Platz finden.
Die Stimmung in der Gemeinde sei traurig, sagt Hoffmann. "Mir fällt es auch schwer, Abschied zu nehmen." Dadurch, dass er so klein ist, habe der Kirchenraum einen besonderen Charme. "Besonders für Andachten hat er sich angeboten, weil man nahe an der Gemeinde war. Allerdings sehen wir auch die Notwendigkeit, denn an dem Gebäude gibt es wirklich jede Menge Baustellen und natürlich entspricht das Gebäude nicht dem energetischen Standard."
Ein Trost sei, dass das Grundstück von den Johannitern weiter genutzt werde. Die Holzkirche steht auf dem Areal der ehemaligen Tagungsstätte "Haus Hügel", das die BEK samt Kirche 2013 an die Johanniter verkauft hat. Das Nutzungsrecht der Kirche blieb bei der BEK. Die Johanniter bauten mithilfe einer Erbschaft von Ruth Simon-Lilge auf dem Grundstück ein Hospiz, das 2014 eröffnete.
Das Passionskreuz der Künstlerin Susan Berber-Credner soll einen Platz im Lilge-Simon-Stift bekommen, versichert dessen Leiterin Petra Westphal. Auf dem Grundstück sei der Bau eines sakralen Raumes geplant, "für Fortbildungen, Gottesdienste und Andachten". Auch die Glocke und das übrige Inventar sollen erhalten bleiben. "Die Orgel werden wir anderweitig verwenden und die historischen Fotos und die geschnitzten Holzbilder in unserem Gemeindehaus aufhängen", sagt Christiane Hoffmann.