– Nein, ihr großer Traum sollte am Montagabend nicht mehr in Erfüllung gehen. Zumindest nicht vollständig. Denn Victor Boniface bekamen die rund 30 hartgesottenen Werder-Fans, die während der letzten Stunden vor Schließung des Sommer-Transferfensters am Weserstadion ausgeharrt hatten, nicht mehr zu Gesicht. Auf den Weg nach Bremen machte sich der 24-jährige Neuzugang erst tags darauf, am Dienstag – und trotzdem war bereits am Vorabend plötzlich so etwas wie Jubel vor dem Stadion aufgebrandet. Um exakt 19.45 Uhr ploppte auf den Handys der Fans eine offizielle Push-Nachricht des SV Werder auf, die den Transfercoup feierlich vermeldeten, was umgehend für eine Mischung aus Erleichterung, Erstaunen und Freude sorgte: Es ist wahr! Der kommt ja tatsächlich! Nur wenige Minuten später nahm Clemens Fritz im Medienraum des Weserstadions Platz, wo der Sportchef ausführlich über den neuen Stürmer sprach und darüber hinaus die Bremer Aktivitäten auf dem Sommer-Transfermarkt 2025 erklärte. Warum so viele Ausleihen? Warum so wenig Abgänge? Was ist mit dem eigentlich benötigten Transferüberschuss – und wie gut ist die Mannschaft jetzt eigentlich? Fragen gab es reichlich.
„Mit dem, was wir umgesetzt haben, haben wir ein gutes Gefühl. Sowohl sportlich als auch wirtschaftlich“, lautete Fritz‘ Fazit der Wechsel-Wochen: „Wir sind absolut überzeugt von unserer Mannschaft und wollen mit ihr für einen attraktiven und intensiven Fußball stehen.“ Um diesem Ziel näher zu kommen, haben die Bremer insgesamt sieben neue Spieler unter Vertrag genommen, der noch nicht verkündete Transfer von Cameron Puertas (Al-Qadsiah FC) mit eingerechnet. Dem gegenüber sind elf Profis gegangen, darunter in Marvin Ducksch (Birmingham City) und Michael Zetterer (Eintracht Frankfurt) zwei unumstrittene Stammspieler aus dem Vorjahr.
Auffällig: Sechs der sieben Zugänge (inklusive Puertas) kommen per Leihmodell für ein Jahr an den Osterdeich, lediglich Samuel Mbangula (für zehn Millionen Euro von Juventus Turin) wechselte fest zu Werder. Nach besonders nachhaltiger Kaderplanung klingt das nicht. Zwar haben sich die Bremer für Torhüter Karl Hein (Arsenal London) sowie für die Defensivspieler Yukinari Sugawara (FC Southampton), Isaac Schmidt und Maximilian Wöber (beide Leeds United) jeweils eine Kaufoption gesichert – dass sie allesamt langfristig in Bremen bleiben, erscheint ob eines Gesamtvolumens von 15 Millionen Euro aber höchst unwahrscheinlich. Bei Victor Boniface ist eine Zusammenarbeit über 2026 hinaus aus wirtschaftlicher Sicht ohnehin ausgeschlossen, bei Puertas zumindest fraglich. Es deutet also einiges darauf hin, dass Werder in einem Jahr bereits der nächste größere Umbruch bevorstehen könnte.
Werder-Talente rücken in den Fokus
„Der Markt ist ziemlich überhitzt, es ist viel Geld in Umlauf“, erklärte Fritz – und betonte: „Die Qualität, die wir in den letzten Tagen dazubekommen haben, hätten wir mit festen Transfers einfach nicht bekommen können.“ Trotzdem stehe Werder dank der vereinbarten Kaufoptionen am Ende der Saison nicht handlungsunfähig da: „Wir haben dann die Möglichkeit, zuzuschlagen. Wir entscheiden da mit, denn wir sprechen ja nicht nur über Leihspieler, die im nächsten Jahr direkt wieder weg sein müssen.“ Einen gewissen Vorgriff auf das Transferbudget des nächsten Jahres bedeutet das aktuelle Modell aber sehr wohl, weshalb es nicht ohne Risiko ist.
Ein mögliches Problem sieht Fritz darin nicht. Vielmehr verwies der Ex-Profi auf „sehr viele entwicklungsfähige Spieler“, die in Bremen fest unter Vertrag stehen. Teil des Profikaders sind davon aktuell Torhüter Mio Backhaus (21), Innenverteidiger Karim Coulibaly (18) und Mittelfeldspieler Patrice Covic (18), die allesamt in der laufenden Saison schon in der Bundesliga zum Einsatz kamen. Werder, so erläuterte es Fritz, wolle diese Talente weiterentwickeln, „um für uns neue Werte zu schaffen“. Im Sommer 2025 gelang bekanntlich kein großer Verkauf – lediglich für Zetterer und Ducksch gingen am Osterdeich überhaupt Angebote ein. Das alljährliche Ziel, Transferüberschüsse zu erwirtschaften, musste demnach aufgeschoben werden. Vom Tisch ist es damit nicht.
„Wir haben gewisse Einnahmen erzielt, aber sicherlich nicht in der Form, dass wir sagen können, dass wir wirtschaftlich Plusminus Null rausgegangen sind. So ehrlich müssen wir sein“, sagte Fritz. Sorgen müsse sich deshalb aber niemand um Werder machen: „Wir können das alles handhaben und stemmen und behalten die Wirtschaftlichkeit immer im Blick.“ Klar ist aber auch: In der kommenden Wintertransferphase oder spätestens im kommenden Sommer werden die Bremer teuer verkaufen müssen, um die Bilanz nicht weiter zu belasten. „Wir haben noch zwölf Monate vor uns, es kommt noch eine Winter- und eine Sommer-Transferperiode“, hielt der Sportchef fest. Werders Wette: Der während des Sommers insgesamt qualitativ verstärkte Kader soll bis dahin dafür sorgen, dass möglichst großer sportlicher Erfolg die Planungen vereinfacht. Ausgang offen.